Der Zauberberg

„Der Zauberberg“, Buchhandlung 100 Meter nördlich vom Friedrich-Wilhelm-Platz

Dem Zauberberg zum 10. Jubiläum

„Der Zauberberg“ – schon der Name der Buchhandlung nur 100 Meter nördlich vom Friedrich-Wilhelm-Platz zieht uns magisch an. Es ist nicht nur die – am Interieur immer noch ablesbare – Geschichte dieses Traditionsortes, sondern auch die lebendige Vielfalt im heutigen Sortiment und Programm, die ver“zauber“t. Und es sind die beiden Inhaber*innen, die mit ihrer Begeisterung für das Buch und ihrer Liebe zu den Kund*innen den Ort mit Leben füllen. Deshalb haben wir Natalia Liublina und Gerrit Schooff befragt, zu ihrem Lebensweg, ihrer Buchhandlung, ihrer Leidenschaft für Bücher und zu unserem Kiez Friedenau.

Beide Inhaber sind auf ganz unterschiedlichem und keineswegs geradlinigen Weg zum Buchhandel gekommen. Natalia Liublina stammt ursprünglich aus Russland, wo sie Literaturwissenschaft und Linguistik studierte. 1994 kam sie mit ihrem Mann als junge Frau nach Berlin – und sammelte dann vielfältige berufliche Erfahrungen mit dem Buch. „Meine Liebe zu Büchern war so stark, dass ich zusätzlich zu meinem Studium die Ausbildung zur Verlagskauffrau machen wollte,“ erzählt sie. Gleichzeitig schrieb sie Rezensionen zu russischsprachigen Texten, übersetzte und gab eine Zeitschrift für russischsprachige Leser*innen heraus.

Beide Inhaber sind auf ganz unterschiedlichem und keineswegs geradlinigen Weg zum Buchhandel gekommen. Natalia Liublina stammt ursprünglich aus Russland, wo sie Literaturwissenschaft und Linguistik studierte. 1994 kam sie mit ihrem Mann als junge Frau nach Berlin – und sammelte dann vielfältige berufliche Erfahrungen mit dem Buch. „Meine Liebe zu Büchern war so stark, dass ich zusätzlich zu meinem Studium die Ausbildung zur Verlagskauffrau machen wollte,“ erzählt sie. Gleichzeitig schrieb sie Rezensionen zu russischsprachigen Texten, übersetzte und gab eine Zeitschrift für russischsprachige Leser*innen heraus.

Wiederholt betont sie, dass sie ja keine ausgebildete Buchhändlerin sei und nie daran gedacht hatte, selbst eine Buchhandlung zu führen – bis sie zufällig mit ihrem Sohn an „Wolff’s Bücherei“ vorbeikam: „ Ich wusste überhaupt nichts von dieser Buchhandlung, aber in diesem Schaufenster waren sehr viele russischsprachige Autoren, und ich dachte, das ist so toll, es ist so wunderbar, und ich bin rein und ich habe meine Begeisterung ausgedrückt und habe den Inhaberinnen gratuliert“. So entwickelte sich mit ihnen eine freundschaftliche Beziehung. Und klar war: „Wenn man selbst eine Buchhandlung führen möchte, dann nur diese!“

Von Anfang an hatte sie ein glückliches Bewusstsein davon, dass der Gründer Andreas Wolff ursprünglich in St. Petersburg lebte, weil sie selbst aus Russland kommt und „sich so ein Kreis schließt: 1931 wurde die Buchhandlung gegründet – wenn ich es schaffe bis 2031, dann wäre das mein Beitrag an die deutsche Kultur!“

So erwarb Natalia Liublina vor fast genau zehn Jahren, im April 2009, die Buchhandlung, als die beiden damaligen Inhaberinnen nach 43 Jahren Tätigkeit in „Wolff’s Bücherei“ Insolvenz anmelden mussten. Und ganz unbefangen ging und geht sie mit dem „Erbe“ der Buchhandlung um.

Darin ist sie sich einig mit ihrem Mitinhaber Gerrit Schooff. Auch Schooff kam über Umwege zum „Zauberberg“. Gelernt hatte er ursprünglich Banker, merkte aber nach einigen Jahren, dass er in diesem Beruf nicht den Rest seines Arbeitslebens verbringen wollte. Da ergab sich die Beteiligung am Dittrich-Verlag, über den er – noch zu Zeiten der Voreigentümerinnen – „Wolff’s Bücherei“ kennenlernte; hinfort tauchte er regelmäßig einmal im Monat zu literarischen Gesprächen in der Buchhandlung auf, die für ihn so zu einem „zweiten Wohnzimmer“ wurde. Wenn er irgendwann in eine Buchhandlung wechseln würde, dann nur in diese, dachte er wiederholt – ganz wie seine Partnerin Natalia Liublina. Und irgendwann – da war „Wolff’s Bücherei“ schon zum „Zauberberg“ geworden“ – gab ihm Liublina zu verstehen, es sei „nun wohl an der Zeit.“ Fortan also: der zweite Mensch im „Zauberberg“. Schooff musste aufgrund seiner Qualifikationen die Buchhaltung übernehmen; dies ist dies die eher ungeliebte Seite am neuen Beruf. Für das Sortiment sind aber beide gleichermaßen verantwortlich.

Auch heute ist die vorzüglich sortierte Lyrikabteilung ein herausragendes Merkmal der Buchhandlung; hier knüpfen Liublina und Schooff ganz an die Vorgängerinnen an. Aber heute finden sich grundsätzlich Bücher aus ALLEN Verlagen in den Regalen – da können die beiden auf ihre Erfahrungen als Verlagskaufleute zurückgreifen -, und so ist das Angebot deutlich breiter gefächert, denn „Bücher sind für alle da“, wie das Credo des „Zauberbergs“ seit seiner Eröffnung lautet.

Apropos Eröffnung: Nicht nur das Sortiment hat sich geändert, sondern auch der Name, denn der Traditionsname „Wolff’s Bücherei“ sollte mit dem Ausstieg der beiden Vorinhaberinnen enden. Nun könnte man denken, „Der Zauberberg“ sei eine Verbeugung vor der Berliner Sektion der Thomas-Mann-Gesellschaft, die hier regelmäßig tagt, aber Natalia Liublina berichtet schmunzelnd, dass der Name auf ganz andere Weise gefunden wurde: Sie habe zu Hause, umgeben von ihren Bücherwänden, den Blick über die Bücherreihen schweifen lassen. So hätte die Buchhandlung auch „Die Möwe“ heißen können, „Die Brüder Karamasov“ oder gar „Der Idiot“, aber letztlich blieb ihr Blick am „Zauberberg“ haften. „Das ist einfach als Wort sehr schön; der Berg von Büchern und der Zauber, den die Bücher auf uns alle ausstrahlen, sind damit total verbunden – aber ehrlich gesagt, habe ich keine wahnsinnige Affinität zu Thomas Mann.“

Ihre „Lebensautoren“ sind dagegen Brodsky und Nabokov, Autoren, die sie immer wieder liest. Augenzwinkernd bemerkt Gerrit Schooff, darin sei Natalia Liublina „old school“, dass sie das gesamte Werk einzelner Autoren schätze und auch sehr strenge Vorstellungen über ästhetische Qualität habe. Er selbst lese eher in die Breite; häufig ist er nur von einem Text eines Autors begeistert – das gilt zum Beispiel für Andrzej Szczypiorskis Roman „Die schöne Frau Seidenmann“. Für ihn ganz wichtig: „Literatur darf mich nicht anstrengen.“ Beide schätzen die zeitgenössische französische Literatur – Pierre Lemaitre und Annie Ernaux beispielsweise – und möchten sie ihren Leser*innen empfehlen, wegen der kraftvollen, dichten Sprache, wegen des Schwungs und der tiefen Thematik, die jeweils Individuelles und Gesellschaftliches sehr überzeugend verbinde.

Dass ihr Buchladen ein Ort der Begegnung sein soll, ist beider großer Wunsch. Zwar sahen auch in früheren Zeiten manche Kund*innen die Buchhandlung als richtige „Sozialstation“, andere wagten sich aber gar nicht hinein, weil sie sich auf der Suche nach einem Krimi völlig deplatziert fühlten. Diese Schwellenangst hoffen Liublina und Schooff durch ihre ausführlichen, zugewendeten Beratungsgespräche abzubauen. „Diese Momente beglücken mich, das ist, wenn man fragt, wofür man lebt,“ schwärmt Liublina. Auch Schooff gibt an, dass ihn die Beratungsgespräche mit den Kund*innen am meisten fordern, aber auch am meisten begeistern.

Die Einbettung der Literatur in einen größeren gesellschaftlichen Zusammenhang ist ein weiteres großes Interesse der beiden Inhaber. Und deshalb gibt es im Hause nicht nur die klassischen Autorenlesungen, für die die Buchhandlung seit jeher bekannt ist; Liublina und Schooff führten auch die „Zauberberggespräche“ ein, deren Themen gerade nicht literarisch begründet sind, sondern sich aus Geschichte und Zeitgeschichte und Kulturwissenschaft speisen und die Gäste miteinander ins Gespräch bringen sollen, etwas, was den „Zauberberg“ von anderen Buchhandlungen unterscheidet.

Gerrit Schooff engagiert sich besonders in der Betreuung jugendlicher Kund*innen unter einem besonderen Schwerpunkt: Er führt Schulklassen durch die „verbotene Bibliothek“ des Andreas Wolff im Keller, in dem Exemplare der „verbrannten Bücher“ die Zeit des deutschen Faschismus überlebten. Schoof versucht den Viertklässler*innen die Geschichte der nun fast hundertjährigen Bücher, den Nationalsozialismus und die Bedeutung der Bücherverbrennung zu erläutern. Die Viertklässler*innen bekommen abschließend alle ein Buch aus dem aktuellen Sortiment geschenkt.

Denn Schooff und Liublina beschäftigen sich intensiv mit der Frage, wie sie jüngere Leser*innen für das Buch gewinnen können. Solange es die Buchpreisbindung gibt, sei nicht der Online-Handel die große Konkurrenz, sondern eher das nachlassende Interesse am Buch schlechthin, wie es die GFK-Studie „Buchkäufer – quo vadis?“ zeigt. Das sich verändernde Publikum sei eine Herausforderung für ihre Buchhandlung, denn von der intellektuellen Zielgruppe vergangener Tage allein könne man heute nicht überleben.

Gefragt, was sie sich denn von unserer Initiative Friedrich-Wilhelm-Platz und vom Kiez überhaupt wünsche, wird Natalia Liublina denn auch sehr ernst. So schön es sei, wenn Menschen sich für die Lesungen interessierten oder in der Buchhandlung schmökerten, die Buchhandlung wünsche und brauche einfach auch Käufer*innen. Auch Schooff erhofft sich von der Initiative die Möglichkeit eines höheren Bekanntheitsgrades, denn es sei immer wieder erstaunlich, dass auch langjährige Friedenauer*innen die Buchhandlung nicht kennen. Und die verkehrspolitischen Visionen der Initiative von einer Verkehrsberuhigung der Bundesallee begrüßt er sehr – „Wenn der Tunnel zugeschüttet würde, wäre ich sofort mit der Schippe dabei!!!“, sagt Schooff kämpferisch.

Text: Corinna Stupka

Fotos: Kerstin Maul